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Märchen vom unersättlichen Auheim

11 | 09 | 2004
Es waren einmal zwei Örtchen, die hießen  das Große Auheim und das Kleine Auheim. Sie lebten zu beiden Seiten des Mains und kamen seit über tausend Jahren recht gut miteinander aus. Der breite Fluß hielt sie auf Distanz, daher herrschte über Generationen tiefer Frieden. Brücken wurden geschlagen, doch aus Auheimer Weisheit kam man sich nicht allzu nahe. Die Gemeinden gediehen und häuften Reichtümer an. Ihre Bürger waren zufrieden, in der weiten Welt bekannt und wohl angesehen. Es hätte auf immerdar so bleiben können.
Unterdes war in der Nachbarschaft ein Entlein aufgewachsen, das so gerne ein stolzer Schwan werden mochte: Hanau. Hanau wollte das blühende Auheim unter seine Fittiche nehmen und mit ihm sein graues Gefieder schmücken. Darob erschraken die Auheimer sehr und suchten in ihrer friedliebenden Art Ausgleich mit der großwüchsigen, selbsternannten Nachbarin. Aber gegen deren Habgier war kein Kraut gewachsen. Beide Auheims wurden vor genau 30 Jahren mit Haut und Haar gefressen und am Stück geschluckt. Seither hatte der gierige Hanauer Schwan zwar ab und an ein wenig Bauchzwicken und Magengrollen, doch war er mit seiner Tat zufrieden. Auheims Schätze und Schönheiten zierten nun ihn.
Die Auheimer ertrugen ihr Los genügsam und mit Langmut. Die Zeit verging, allein die Erinnerung an vergangene Goldene Zeiten half ihnen durch den grauen Alltag.
Hanau selbst war inzwischen zum großen, aufgeplusterten Schwan herangewachsen und feierte prächtige Feste, Events und Gartenschauen. Für das arme Auheim blieb nur, was vom reichgedeckten Tisch der Stiefmutterstadt herabfiel: Krümel und trocken Brot. Um so überraschter war Auheim, als es vom Hanauer Schwan mit großer Geste eingeladen wurde. Auheim feierte nämlich bald seinen 1200-jährigen Geburtstag.
Der Schwan versprach, den Auheimern ein Festessen zu spendieren, denn nur wenige Orte auf der ganzen Welt können auf solch eine lange Geschichte zurückblicken! Das Geld hierzu käme aus der Stadtschatulle, für Programm und Drumherum allerdings habe Auheim selbst zu sorgen.
Groß war die Freude über das gönnerhafte Geschenk der Schwanenstadt! Bald begann man in Klein- und Großauheim zu planen und sich auf die einmalige Feier vorzubereiten. Doch nach genauer Berechnung stellten die Auheimer fest, daß der Etat lediglich für eine einfache Pizza reichen würde; ein großes, buntes Menü war mit der Hanauer Spende nicht zu bezahlen. Aber die braven Auheimer fügten sich wie stets und dankten auch für die kleine Gabe.
Doch eines Tages erfuhren sie, daß sich die Hanauer Stiefmutter selbst jedes Jahr mehrere opulente Festessen auf güldenem Tafelgeschirr genehmigte. Da verging den Auheimern der Appetit und die Freude war dahin. Sie erhoben erstmals ihre Stimme, riefen nach Gerechtigkeit und forderten einen Nachtisch. Bei diesem Gezeter überkam den Hanauer Schwan großes Unbehagen und er ging in sich. Geläutert versprach er den Auheimern, von nun an alle im Hanauer Nest gleich zu behandeln. Und so geschah es: man lebten glücklich und zufrieden am Main und ganz Hanau feierte 2006 ein großes Fest, von dem noch künftige Generationen schwärmen sollten.
So weit das Märchen. Natürlich ist es einseitig, unsachlich und voreingenommen. Leider ist auch ein Happy-End nicht garantiert.
Halten wir uns besser an die Fakten:
3 Tage Lamboyfest - Etat: 115.000 €, dazu städtische Organisation. Alljährlich.
3 Tage Bürgerfest - Etat: 200.000 € , dazu städtische Organisation. Alljährlich.
1 Jahr Jubiläumsfeiern für Klein- und Großauheim - Etat: jeweils 60.000 € für beide Stadtteile, Planung und Organisation durch Auheimer Bürgerschaft mit städtischer Unterstützung. Alle 1200 Jahre. Wer entdeckt die Unterschiede?
Unsere Stadt hat keinen Cent zuviel in der Kasse und ist hoch verschuldet. Ist es also Auheimer Maßlosigkeit, eine Erhöhung des Festetats auf 200.000 € zu fordern? Alleine besehen vielleicht. Doch solange über andere Projekte und Innenstadtfeiern Füllhörner voller Gaben ausgeschüttet werden, dabei aber Stadtteile, die ein für Hanau einmaliges Jubiläum feiern wollen, als undankbare Bittsteller abgetan werden, solange wird Auheim Gleichbehandlung einfordern. Bis Märchen wahr werden.  => zurück zur auswahl

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